Ist Deutschland bereit für New Work?

Eine Blitz-Keynote von Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) auf der Work Awesome Konferenz in Berlin am 29. November 2018

Unter all den (wenigen) jungen und (verstärkt vertretenen) älteren flotten (alle natürlich) New Worker auf der Konferenz wirkte Dieter Kempf, Präsident des BDI etwas altväterlich als er die Bühne betrat. Trotzdem herrschte erwartungsvolle Stille. Trifft hier Old Work auf New Work? Wird das auch so „awesome“ werden wir die vorhergehenden Sessions zu Themen wie Führung einer Firma vom Katamaran aus, gute Führung in Zeiten des radikalen Wandels, oder die Vorzüge der Holokratie?

Herr Kempf gliedert seinen 15 Minuten Slot in zehn Thesen. Aber zunächst outete sich der Ruheständler als New Worker – denn für viele wäre New Work gleichbedeutend mit „ich arbeite nur so viel wie es mir Spaß macht“. Die Realität sieht anders aus.

 

These #1

Es gibt nicht die „New Work“

Es gibt nicht eine New Work, sondern ganz viele davon und die meisten Ausprägungen sind subjektiv.

„Will ich mehr unternehmerische Verantwortung?“

„Will ich Ideen verwirklichen?“

„Oder geht es mir mehr um Arbeitszeitgestaltung und weniger als um Inhalte?“

Hier geht es Herrn Kempf um Ziele, die nicht (mehr) quantitativ über Anwesenheit definiert werden können.

„In den meisten Unternehmen gibt es eine kommt / geht Erfassung – das hat nichts mit den Inhalten oder Qualität zu tun.“

Wenn Zeit als Ziel nicht dient, was dann? Eine Antwort bekommen wir nicht, nur so viel, New Work kommt nicht ohne Verwaltungsprozesse aus. Das Wort „sinnstiftend“ fällt, wird allerdings nicht weiter ausgeführt.

Aber da New Work scheinbar irgendwas mit Digitalisierung zu tun hat, und es um Inhalte gehen muss und Herr Kempf sein Leben lang mit EDV und Programmieren zu tun gehabt hat, ist er wohl zum zweiten Mal in diesem Vortrag ein Musterbeispiel der neuen Arbeit.

These #2

New Work = Digitalisierung = exponentielle Entwicklung = schwierig

Jetzt kommt ein Exkurs darüber, warum wir uns mit der Digitalisierung, die ja irgendwie sowohl in der alten als auch in der neuen Arbeit vorkommt, so schwertun:

Wir können nicht exponentiell denken. Herr Kempf erzählt die schöne Geschichte über den Erfinder des Schachspiels in Indien, um uns zu zeigen, was exponentielles Denken sei.

Hier nachzulesen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Sissa_ibn_Dahir

These #3

New Work is never done

Wir werden ständig auf der Suche sein nach den Inhalten von New Work sein – es wird nicht fertig werden. Also New Work in Progress.

These #4

New Work wird durch Digitalisierung möglich

Die Digitalisierung erfordert nicht nur New Work, sie ermöglicht diese sogar. Herr Kempf erklärt das am Beispiel der dislozierten Arbeit. Die Möglichkeit überall arbeiten zu können bedeutet viel Flexibilität. Ich frage mich nur wie das mit Arbeitszeitmodellen zusammenspielen sollte, aber wahrscheinlich sollen das die Verwaltungsprozesse regeln.

Allerdings ist laut Herrn Kempf auch hier Luft nach oben: warum sind wir immer noch an Keyboards und Touchscreens gebunden? Wir brauchen mehr Sprachsteuerung. (Jetzt stellen wir uns bitte nicht alle den vollen ICE-Wagon zwischen Frankfurt und Berlin vor, wenn alle mit ihren Geräten reden, statt schweigend zu tippen!).

These #5

Die Politik hinkt hinterher

Neues Arbeiten kommt nicht ohne gesetzliche Rahmenbedingungen aus.

„Wir werden uns die Freiräume schneller nehmen als die Politik sie einrahmen kann.“

Das wird auch für HR und die Gewerkschaften ein großes Thema werden, bzw. ist es schon.

These #6

Digital ist überall

Herr Kempf erläutert seine 4 Komponente der Digitalisierung:

  1. Ein digitales Produkt
  2. Ein digitaler Prozess
  3. Digitale Plattforms
  4. Man bewegt sich selbst in einer digitalen Welt

„Alle Unternehmen sind Digital aber 90% wissen es nicht.“

„Klar, die digital erzeugte Brezel gibt es nicht, aber eine Bäckerei kann sich auf die anderen 3 Wegen digitalisieren – z.B durch online Handel.“

An dieser Stelle muss ich das hier verlinken: (Keine Werbung, kein Sponsor, nur ein mutiger, innovativer Familienbetrieb aus der Region)

https://www.backparadies-kissel.de/brotversand-brot-onlineshop.html

These #7

Die Industrie weiß nicht wie New Work geht

90 % aller Unternehmern brauchen New Work, wissen allerdings nicht warum und wie das gehen soll.

Es müssten Arbeitszeit und Arbeitsinhalte und deren Beziehungen zueinander neu gedacht werden. Zum Beispiel, Führung in Teilzeit. Ein Modell, dass in Deutschland noch selten ist.

An dieser Stelle geht ein leises Raunen durch das Publikum. Eine Mischung aus Unglauben, Mitleid und Hoffnung (auf die vielen Berateraufträge?).

These #8

Vision trifft auf Möglichkeiten

Durch New Work haben wir auch die Mittel, die Erwerbsbiographien von Männern und Frauen ein Stück weit anzugleichen. Wir haben nicht nur die Mittel, sondern auch aufgeklärte Menschen und ein neues Führungsverständnis, wir müssen uns alle noch mehr trauen damit aus Visionen Wirklichkeit wird.

These #9

Vision trifft auf Grenzen

Digitalisierung plus Strukturwandel plus Globalisierung befeuert die Diskussion zum Beispiel über Entlohnung. Herr Kempf ist ein erklärter Gegner eines bedingungslosen Grundeinkommens, das er „die Free Lunch Society“ nennt.

These #10

New Work braucht neue Bildung

Nicht nur wegen der Technologie, sondern um mit der digitalen Welt umgehen zu können. Wenn wir heute noch darüber diskutieren, ob wir nach 18 Uhr den Mail-Server und die Geschäftshandys ausschalten, haben wir noch keine digitale Souveränität erlangt.

Fazit

Herr Kempf nahm die Herausforderung sportlich an und sprintete durch seine Thesen humorvoll und ein klein wenig großväterlich. Für das Publikum nichts wirklich Neues oder Aufregendes aber jetzt wissen wir wo der Dachverband der deutschen Industrie die Schwerpunkte setzt. Und alleine das ist doch schon ziemlich awesome.

Den Vortrag und auch alle anderen Beiträge der Konferenz kann man sich hier anschauen:

https://www.workawesome.de/